Bahá’í-Friedensandacht im Bamberger Zelt der Religionen
“Betrachtet einander nicht als Fremde” – Bahá’í-Friedensandacht am 15.06.2016
Es begann mit der Anfrage: “Würdet ihr eine Friedensandacht übernehmen?” Wir schauten uns kurz an und sagten ja! Es waren noch ein paar Monate Zeit und so widmeten wir uns erstmal dringlicheren Dingen. Aber dann kam uns plötzlich die wachrüttelnde Erkenntnis: Die Fussball-Europameisterschaft findet gleichzeitig statt! Schon einmal hatte die Fussballwelt bei einer Veranstaltung für fast leere Reihen gesorgt, aber zum Glück kam die Entwarnung: Um diese Zeit spielt Rumänien gegen die Schweiz. Erleichterung!
Die Vorbereitungen begannen und schon früh stand die Idee im Vordergrund, dass es eine Zusammenkunft von vielen Religionen sein soll, gleichberechtigt, auf Augenhöhe und mit einem grossen Teil an persönlicher Begegnung und Gespräch. Zu der israelitischen Kultusgemeinde hatten wir direkte Verbindung, auch zur evangelischen und der islamischen Gemeinde. Eine Tür tat sich auf, so dass wir die buddhistische Gemeinde in Bamberg einladen konnten, ebenso die Jesiden und zuletzt bekamen wir auch Kontakt zu den Sikh in Nürnberg. Gerade nach dem Anschlag in Essen war uns besonders wichtig, sie einzubeziehen. Bei der Friedensandacht fokussierten wir uns auf das Thema Frieden und dessen Voraussetzung, die Annahme des Anderen. Eigentlich sollte alles eine Woche vorher fertig sein, aber die Berufstätigkeit hielt uns auf Trapp und so trafen wir uns erst eine Stunde vor der abendlichen Veranstaltung, aber dafür mit fertig ausgedruckten Texten und nahmen uns noch einige Minuten, um uns innerlich vorzubereiten.
Die einführenden Worte wurden von Johannes Rosenbaum an das Publikum gerichtet. Es waren ca. dreissig Personen gekommen; wohl ein Rekord für das Zelt der Religionen, wie sich später herausstellte. Zur Eröffnung der Andacht spielte Birgit Asbeck auf der Gitarre: “Blessed is the spot ..” und die Gemeinde stimmte mit ein. Ariel Rudolph, Kantor der israelitischen Kultusgemeinde Bamberg, zitierte aus der Thora auf Hebräisch und übersetzte gleich ins Deutsche. Macid Hassan Ali intonierte melodisch eine jesidische Hymne, die Johannes Rosenbaum übersetzte. Es ging weiter mit einem Auszug aus den hinduistischen Upanischaden und der Bhagadvad Gita. Frau Barbara Göb, katholische Pastoralreferentin in Bamberg, trug den Text vom barmherzigen Samariter aus der Bibel vor und Daniela Isljami rezitierte aus dem Koran in Arabisch und Deutsch. Marco Dippold brachte uns eine buddhistische Erzählung näher und Joachim Boehmeke trug die Übersetzung von Herrn Khushwant Singh aus den heiligen Schriften der Sikhs vor. Zum Abschluss sang Duygu Alkan ein türkisches Bahá’í-Gebet.
Nun begann der gesellige Teil mit vielen interessanten Gesprächen, Erkenntnissen und neuen Ideen. Die Atmosphäre war geprägt von der klaren Friedensbotschaft aus allen Religionen, die uns verband und einte. Die integrative Komponente und das Gemeinschaftsgefühl, das während der Andacht spürbar waren, übertrugen sich auch auf die Gespräche und wurde von vielen anerkennend erwähnt. Aus dem Austauschs erwuchsen Einladungen zu einem Vortrag im jüdischen Lehrhaus und zu einem buddhistischen Abend, über die wir uns sehr freuen!
Nach zwei Stunden waren alle um eine schöne Erfahrung reicher und es sind Pläne für die nächsten Treffen entstanden. Ein großer Dank geht an das Team vom Zelt der Religionen und im Besonderen an Andrea Hoffmann.
Einige der gelesenen Texte sind dem Bericht als Anhang beigegeben.
-Joachim Böhmeke für die Bahá’í-Gemeinde Bamberg
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Judentum
Wajikra (Levitikus), Tora
18 An den Kindern deines Volkes sollst du dich nicht rächen und ihnen nichts nachtragen. Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst. Ich bin der Herr.
Wajikra (Levitikus), Tora
33 Wenn bei dir ein Fremder in eurem Land lebt, sollt ihr ihn nicht unterdrücken.
34 Der Fremde, der sich bei euch aufhält, soll euch wie ein Einheimischer gelten und du sollst ihn lieben wie dich selbst; denn ihr seid selbst Fremde in Ägypten gewesen. Ich bin der Herr, euer G‘tt.
Mischle Schelomo, Tora
3:27 Weigere dich nicht, dem Bedürftigen Gutes zu tun, wenn deine Hand es vermag.
3:28 Sprich nicht zu deinem Nächsten: Geh hin und komm wieder; morgen will ich dir geben -, wenn du es doch hast.
3:29 Trachte nicht nach Bösem gegen deinen Nächsten, der arglos bei dir wohnt.
3:30 Geh nicht mutwillig mit jemand vor Gericht, wenn er dir kein Leid getan hat.
Hinduismus
Paramanda, Die Upanischaden
“Er, der alle Wesen in seinem Selbst sieht und sein Selbst in allen Wesen, der leidet nie. Denn wenn er alle Geschöpfe in seinem wahren Selbst sieht, dann vergehen Neid, Trauer und Hass.“
“Er, der das Selbst überall wahrnimmt, wird nicht vor etwas zurückschrecken, denn durch sein höheres Bewusstsein fühlt er sich eins mit allem Leben. Wenn ein Mensch Gott in allen Wesen sieht und alle Wesen in Gott, und auch Gott in seiner eigenen Seele, wie kann er dann irgendein lebendes Ding hassen? Trauer und Trug basieren auf einem Glauben an Vielheit, was zu Wettkampf und allen Arten von Selbstsucht führt. Mit dem Wahrnehmen der Einheit vergeht der Eindruck von Vielheit und die Ursache von Leid verschwindet.“
Aus der Bhagavad Gita
„Du musst dir letztendlich über diese gewaltige Lehre klar werden: Alle Geschöpfe sind zwar dem Anschein nach getrennt, aber wahrhaft nur eines; alle Wesen gehen von der Gottheit aus und sind in der Gottheit vereint. Wer dies wirklich erfasst, wird die Gottheit und erlangt dadurch Befreiung.“
Islam
Aus dem Koran
49:13 O Menschen! Siehe, Wir haben euch alle aus einem Männlichen und einem Weiblichen erschaffen, und haben euch zu Nationen und Stämmen gemacht, auf dass ihr einander kennenlernen möget. Wahrlich, der Edelste von euch in der Sicht Gottes ist der, der sich Seiner am tiefsten bewusst ist. Siehe, Gott ist allwissend, allgewahr.
16:125 Rufe du (alle Menschheit) zum Pfad deines Erhalters mit Weisheit und gefälliger Ermahnung und streite mit ihnen auf die gütigste Weise: denn, siehe, dein Erhalter weiß am besten, wer von Seinem Pfad abirrt, und am besten weiß Er, wer die Rechtgeleiteten sind. 126 Darum, wenn ihr auf einen Angriff (im Streit) antworten müsst, antwortet nur im Maß des gegen euch gerichteten Angriffs; aber euch mit Geduld zu betragen, ist fürwahr weit besser für (euch, da Gott mit) jenen (ist), die geduldig in Widrigkeiten sind.
5:48: Für jeden von euch haben Wir ein (verschiedenes) Gesetz und eine Lebensweise bestimmt. Und wenn Gott es so gewollt hätte, Er hätte euch alle sicherlich zu einer einzigen Gemeinschaft machen können: aber (Er wollte es anders,) um euch zu prüfen durch das, was Er euch gewährt hat. Wetteifert denn miteinander im Tun guter Werke! Zu Gott müsst ihr alle zurückkehren; und dann wir Er euch alle wahrhaft verstehen lassen, worüber ihr uneins zu sein pflegtet.
Christentum
Aus dem Lukasevangelium
Da stand ein Gesetzeslehrer auf, und um Jesus auf die Probe zu stellen, fragte er ihn: Meister, was muss ich tun, um das ewige Leben zu gewinnen? Jesus sagte zu ihm: Was steht im Gesetz? Was liest du dort? Er antwortete: Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen und ganzer Seele, mit all deiner Kraft und all deinen Gedanken, und: Deinen Nächsten sollst du lieben wie dich selbst. Jesus sagte zu ihm: Du hast richtig geantwortet. Handle danach und du wirst leben. Der Gesetzeslehrer wollte seine Frage rechtfertigen und sagte zu Jesus: Und wer ist mein Nächster? Darauf antwortete ihm Jesus: Ein Mann ging von Jerusalem nach Jericho hinab und wurde von Räubern überfallen. Sie plünderten ihn aus und schlugen ihn nieder; dann gingen sie weg und ließen ihn halb tot liegen. Zufällig kam ein Priester denselben Weg herab; er sah ihn und ging weiter.
Auch ein Levit kam zu der Stelle; er sah ihn und ging weiter. Dann kam ein Mann aus Samarien, der auf der Reise war. Als er ihn sah, hatte er Mitleid, ging zu ihm hin, goss Öl und Wein auf seine Wunden und verband sie. Dann hob er ihn auf sein Reittier, brachte ihn zu einer Herberge und sorgte für ihn. Am anderen Morgen holte er zwei Denare hervor, gab sie dem Wirt und sagte: Sorge für ihn, und wenn du mehr für ihn brauchst, werde ich es dir bezahlen, wenn ich wiederkomme. Was meinst du: Wer von diesen dreien hat sich als der Nächste dessen erwiesen, der von den Räubern überfallen wurde? Der Gesetzeslehrer antwortete: Der, der barmherzig an ihm gehandelt hat. Da sagte Jesus zu ihm: Dann geh und handle genauso!
Jesidentum
Die Hymne der Rede des barmherzigen Herrn
Schaut, dass wegen dem, was stirbt und vergeht
Ihr nicht den Anderen überseht;
Denn schön ist die Welt, wenn Freundschaft besteht.
Zügele das Ross deiner niederen Naturen,
Folge hierin der Hymne Spuren,
Und sei freundlich zu allen Kreaturen.
Die Hymne von Sheqeseri
Nimmst du jemanden wahr
Und bringst ihm eine Gabe dar;
Frag nicht: Welcher Religion bist du gar?
Gabst Du einmal Spenden
Und du gabst sie irgendjemandes Händen,
So wird sich Gott für dich verwenden.
Bahá‘ítum
Aus dem Brief an den Sohn des Wolfes von Bahá’u’lláh
„Das Wort Gottes ist eine Lampe, deren Licht der Satz ist: ihr seid die Früchte eines Baumes und die Blätter eines Zweiges. Verkehrt miteinander in inniger Liebe und Eintracht, in Freundschaft und Verbundenheit. Er, die Sonne der Wahrheit, bezeugt Mir: So machtvoll ist das Licht der Einheit, dass es die ganze Erde erleuchten kann. Der eine, wahre Gott, der alle Dinge kennt, bezeugt die Wahrheit dieser Worte.“
Aus den Gebeten ‘Abdu’l-Bahás
„O Du gütiger Herr! Du hast die ganze Menschheit aus dem gleichen Stamm erschaffen. Du hast bestimmt, dass alle der gleichen Familie angehören. In Deiner heiligen Gegenwart sind alle Deine Diener, die ganze Menschheit findet Schutz in Deinem Heiligtum. Alle sind um Deinen Gabentisch versammelt; alle sind erleuchtet vom Lichte Deiner Vorsehung.
O Gott, Du bist gütig zu allen, Du sorgst für alle, Du beschützest alle, Du verleihst allen Leben. Du hast einen jeden mit Gaben und Fähigkeiten ausgestattet und alle sind in das Meer Deines Erbarmens getaucht.
O Du gütiger Herr! Vereinige alle. Gib, dass die Religionen in Ein-klang kommen und vereinige die Völker, auf dass sie einander ansehen mögen wie e i n e Familie und die ganze Erde wie e i n e Heimat. O, dass sie doch in vollkommener Harmonie zusammenlebten!
O Gott, erhebe das Banner der Einheit der Menschheit. O Gott! Er-richte den grössten Frieden. Schmiede Du, o Gott, die Herzen zusammen.
O Du gütiger Vater, Gott! Erfreue unsere Herzen durch den Duft Deiner Liebe. Erhelle unsere Augen durch das Licht Deiner Führung. Erquicke unsere Ohren mit dem Wohlklang Deines Wortes und be-schütze uns alle in der Feste Deiner Vorsehung.
Du bist der Mächtige und der Kraftvolle, Du bist der Vergebende und Du bist Der, welcher die Mängel der ganzen Menschheit übersieht.“
Sikh Religion
— Eröffnungsvers des Adi Guru Granth Sahib, Seite 1, M. 1
ੴ ਸਿਤ ਨਾਮੁਕਰਤਾ ਪੁਰਖੁਿਨਰਭਉ ਿਨਰਵੈਰੁਅਕਾਲ ਮੂਰਿਤ ਅਜੂਨੀ ਸੈਭੰ ਗੁਰ ਪਸਾਿਦ ॥
Namenloser Schöpfer
Manifestierte Unendliche Einheit
Urquelle wahrhafter Tugend
Angst- und feindloses Schöpferwesen
Von zeitloser Form
Ungeboren
Aus sich selbst hervorgegangen
Durch die Gnade spiritueller Weisheit erfahrbar.
— Adi Guru Granth Sahib, S. 1128, M. 3
Unser gemeinsamer Ursprung
ਚਾਰੇਵਰਨ ਆਖੈਸਭੁਕੋਈ ॥
Es wird gesagt, es gäbe vier Kasten.
Doch alle stammen aus dem einen Samen des Schöpfers.
Alles ist durch denselben Lehm hervorgegangen.
Lediglich nach verschiedenen Gefäßen hat der Töpfer alle geformt.
Mit den fünf Elementen den Körper erschaffen.
Wer kann da sagen, der Mensch zählt weniger und der mehr?
— Adi Guru Granth Sahib, Seite 266, M. 5
ਸਰਬ ਧਰਮ ਮਿਹ ਸੇਸਟ ਧਰਮੁ॥
Wahrhafte Religion
Die wahrhafteste aller Religionen ist die, bei der voller Weisheit und Reinheit gehandelt wird.
Das Höchste aller Rituale ist den seelischen Schmutz zu reinigen und zu innerer Einheit zu gelangen.
Die höchste Hingabe ist die, die den Einen erkennen lässt und zu ewigem Leben führt.
Die höchste Stimme ist die stimmlose Stimme des Einen, die im Herzen erklingt und Unsterblichkeit hervorbringt. Sie lässt uns an der ewigen Einheit kosten und das Mysterium der Einheit erklären.
Der Heiligste aller Orte ist der, an dem die Weisheit des Einen weilt.
Übersetzung von Khushwant Singh
Vorsitzender des Rates Religionen Frankfurt